SHOWTUNES legt zu viel Wert auf seine coole Seite und nicht auf die Wärme, die die Musik wirklich hätte auszeichnen können, aber KURT WAGNER lässt dennoch mehr als genug Schönheit und Empathie einfließen, um unsere geschenkte Zeit und Aufmerksamkeit zu belohnen.
Das neue Material des Avantgarde-Rockkünstlers Kurt Wagner betont auf „Showtunes“ die Dynamik und den reinen Klang, zum Nachteil der Melodie. Denn auch wenn die Musik oft sehr schön ist, wird manche Hoffnung eine Enttäuschung darüber erleben, dass es keine Melodie gibt, zu der man auf diesem Album pfeifen könnte. „Showtunes“ ist oft so spektral, dass hierzu am besten die Kopfhörer aufgesetzt werden, da die gewöhnlichen Geräusche des Lebens wahrscheinlich viele Details von „Unknown Man“ oder „Fuku“ verschlucken. Lässt man sich darin gehen, wird man schon sehr früh das Gefühl bekommen, dass „Showtunes“ uns dorthin bringen könnte, wo Kurt Wagner noch nie zuvor gewesen ist – und das sind übrigens nicht viele Orte. Egal, ob es die klassischere Instrumentierung ist, die früh auf dem Album erscheint, oder etwas, das tief in der Mischung vergraben liegt und den entscheidenden Hinweis liefert – es bleibt ein Kompromiss zwischen dem organischen Klang von Lambchop’s berühmtestem Werk und den kühlen, aber sehr schönen Landschaften seiner elektronischen Produktionen ab „Flotus“ aus dem Jahr 2016.
Der Titel verweist teilweise auf einen der wichtigsten kreativen Prozesse hinter dem neuen Album, nämlich darauf, dass Wagner durch seine Neugierde für Musiktechnologie einen Weg findet, die Klänge seiner Gitarre in Klaviernotenäquivalente umzuwandeln. „Showtunes“ setzt auch den Trend fort, dass Wagner neue Musiker in der Lambchop-Gruppe willkommen heißt, wobei James McNew von Yo La Tengo und der Trompeter CJ Camereiri die bemerkenswertesten neuen Namen sind, die hier für frischen Wind sorgen. Die gelegentlichen Momente des latenten Humors früherer Alben finden hier ein Äquivalent zu „Papa Was A Rolling Stone Journalist“ und „Impossible Meatballs“, zwei Instrumentals, die 2021 aus Sicht des Titels gut ins Bild passen. In den goldenen Farbtönen des ersteren ist ein spürbares Gefühl von gebrochenem Drama zu spüren, während das letztere einen weicheren, helleren und pastoraleren Ton annimmt.
Insgesamt sind diese acht Tracks delikat und leise, manchmal gibt es Opernarien, die hinter dem Hauptgesang gesungen werden – wie bei „The Last Benedict“, die dem Song einen tieferen Ausdruck verleihen als die bloße Stimme allein – oder aber auch grenzenlose räumliche Ruhe, wenn sich Klavier, Hörner und Bass auf „Twit One“ nahtlos ineinander fügen. Diese Musik macht nicht auf sich aufmerksam. Dies würde als Hintergrundmusik besser funktionieren als auf der Bühne, da nicht viel Aufregendes passiert. Das ist absichtlich so. Dies ist Musik, mit der man sich entspannen und leise nachdenken kann.